gazette März 2019: Aufmerksam sein in jeder Handlung

Eine gute Kinderbetreuung ist Eltern ein grosses Anliegen. Ihr Kind soll liebevoll betreut und gefördert werden. Die Kita soll ein sicherer Ort sein, wo die Bedürfnisse der Kleinen wahrgenommen werden. Was aber macht eine gute und professionell geführte Kita aus?

 

„Alle können Kinder erziehen.“ Von dieser provokativen Aussage lassen sich Cornelia Glenz und Isabelle Fiorentino nicht provozieren. „Es ist schon so, jedes Paar kann Kinder kriegen, und kein Gesetz schreibt vor, wie sie ihre Kinder erziehen sollen. Das ist von der Gesellschaft so gewollt“, lautet die Antwort von Cornelia Glenz, Leiterin der Luzerner Kita. Sobald es aber um ausserfamiliäre Erziehung gehe, dann sei die Sache eine ganz andere. Hier gebe es Kriterien, Auflagen und klare Vorstellungen. „Die Eltern erziehen nach ihren persönlichen Vorstellungen. Wir in der Kita arbeiten professionell.“

Wir haben professionelle Vorgaben

„Wir verstehen uns als Ergänzung, nicht als Konkurrenz zu den Eltern. Die Eltern sind Profis bezüglich ihres Kindes. Sie kennen es am besten und stehen ihm emotional am nächsten“, sagt Isabelle Fiorentino, Gruppenleiterin. Eltern würden ihre Kinder nach ihren persönlichen Erfahrungen und Vorbildern erziehen, aufgrund von Gesprächen im Freundeskreis. „Durch unsere Ausbildung und pädagogischen Kenntnisse verfügen wir über ein breites Instrumentarium, um auf die Kinder adäquat zu reagieren.

Wir wissen, in welchem Entwicklungsschritt sich ein Kind gerade befindet und sind in der Lage, es entsprechend zu begleiten und zu fördern“, erklärt Cornelia Glenz. Kinder zu betreuen, sei die Kernkompetenz von Fachfrauen und Fachmännern Betreuung, die in der Ausbildung in Theorie und Praxis erlernt werde. So wie das auch für alle anderen Berufe der Fall sei.

Spielerisch die Welt entdecken in der Kita Campus

Was ist eine gute Kita?

Jede Kita hat ihr eigenes Konzept. Was macht eine gute Kita aus? Die beiden Profi-Erzieherinnen formulieren hohe Erwartungen: ein gelebtes Konzept, gut ausgebildetes Personal mit einem guten Betreuungsschlüssel, dauernde Weiterbildung, Förderung der Kinder auf der jeweiligen Stufe, Wertschätzung gegenüber Kindern, Eltern, Mitarbeitenden.

Zur guten Kita gehört für die Leiterin Cornelia Glenz aber auch der Umgang mit dem Team. „Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass es den Mitarbeitenden gut geht, sie attraktive Arbeitsbedingungen haben und sich wertgeschätzt fühlen. Nur so kann das Team seine Arbeit mit den Kindern optimal wahrnehmen.“

Im Zentrum steht das Kind

Das Wichtigste im Konzept der Kita Campus Luzern ist, dass das Kind im Zentrum steht. Die professionelle Betreuungsarbeit sorgt für den Aufbau einer sicheren Bindung zum Kind, wahrt seine Integrität und erkennt und befriedigt seine Bedürfnisse. Zur Professionalität gehören aber auch die ganzheitliche Gestaltung des Alltags und dafür geeignete Räumlichkeiten.

Isabelle Fiorentino erklärt die Vorstellung von „sicherer Bindung“ an einem Beispiel: „Fällt ein Kind hin und weint, sind wir bei ihm, beruhigen und beobachten, feinfühlig achten wir darauf, welche Bedürfnisse es hat und geben ihm bewusst Zeit. Im richtigen Moment begleiten wir das Kind ins Spiel zurück. Dabei spürt es, dass wir aufmerksam sind und seine Bedürfnisse ernst nehmen. Wir geben ihm Halt und Geborgenheit.“

Im Zentrum steht das Kind
Im Zentrum steht das Kind

„Wir schauen hin, nicht weg“

Cornelia Glenz verweist auf ihr Kinderschutzkonzept, für das die Kita Campus Luzern 2018 den 2. Platz am Kinder- und Jugendaward des Kantons Luzern gewonnen hat. Es sei eine Ergänzung zum pädagogischen Konzept und beschreibe, wie diese Vorgaben (pädagogische Leitlinien, Elternarbeit, Qualitätssicherung, Entwicklungsschritte usw.) umgesetzt werden.

Die Frauen erklären das Kinderschutzkonzept am Beispiel Essen: „Wird das Kind gefüttert, ist das Betreuungspersonal aufmerksam, präsent und hält Augenkontakt mit dem Kind.“ Wichtig sei das Erkennen seiner Signale, die jedes Mal anders sein könnten. Auch werde es aktiv in die Essenseingabe einbezogen, weil das seine Selbstständigkeit fördere. „Aufmerksamkeit und Feinfühligkeit, das steckt in jeder einzelnen unserer Handlungen.“

Die beiden Gesprächspartnerinnen verweisen auf das Thema Gewalt: körperliche oder psychische Gewalt, allgemeine Vernachlässigung, sexuelle Ausbeutung, emotionale Vernachlässigung. „Subtile Gewalt wie z.B. ein Kind am Arm packen, ist so schnell passiert“, sagt Isabelle Fiorentino: „Wir schauen hin, nicht weg, geben einander Rückmeldungen und sind selbstkritisch.

Ein anstrengender, wunderschöner Beruf

Ist die Betreuung von Kindern ein anstrengender Beruf? „Ja, auf jeden Fall!“ Die Antwort kommt schnell und überzeugend: „Wir sind dauernd daran, fremde Bedürfnisse abzudecken und tragen viel Verantwortung. Wir schleppen schwere Gewichte treppauf, treppab.“ Betreuende gehen mit den Kindern bei jedem Wetter nach draussen und tragen nicht nur die Kleinen, sondern auch Kinderwagen und schwere Taschen. Sie ziehen 14 Kinder an und ab.

„Wir haben viele Rollen: gegenüber Kindern, Eltern, der Institution und den Mitarbeitenden. Ich habe mal gezählt, und bin auf etwa 120 Rollen gekommen“, sagt die Gruppenleiterin um anzufügen: „Aber es ist ein wunderschöner Beruf. Wir bekommen auch sehr viel.“

„Der Beruf ist bei jungen Menschen sehr begehrt. Er ist abwechslungsreicher und lässt Freiraum zu“, ergänzt Cornelia Glenz. Wäre da nicht der niedrige Lohn. Es ist eine grosse Herausforderung, die Berufsfrauen und -männer längerfristig im Betrieb zu halten. Um eine Familie zu ernähren, reicht der Lohn nicht. Ein Grund für viele, sich beruflich weiter zu orientieren.

Für die Kita-Leiterin wäre es wichtig, den Beruf Fachmann/Fachfrau Betreuung gesamtschweizerisch einer Funktionsbewertung zu unterziehen. So würden die Kompetenzen des Betreuungsberufes mit jenen anderer Berufe in der Schweiz verglichen. „Gäbe es diesen Vergleich, müssten unsere Löhne neu eingestuft werden. Hier müssen wir dranbleiben.“

Bernadette Krumann